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Lichtenfels. Ursula Rückschloss, die erst seit einigen Monaten Mitglied des RVC Stetten ist, wurde bei der am 27. August in St. Johann/Tirol ausgetragenen Weltmeisterschaft im Einzelzeitfahren sensationell Weltmeisterin in ihrer Altersklasse. Auch beim drei Tage später ausgetragenen Straßenrennen kam sie zeitgleich mit der Siegerin ins Ziel.
Ursula Rückschloss hat nur ein Hobby, den Radsport. Und diese schöne, aber auch äußerst zeitaufwändige Sportart betreibt die Neu-Lichtenfelserin mit Freude und Hingabe und widmet ihr fast ihre ganze Freizeit. Um in einer Ausdauersportart wie es eben der Radsport darstellt, bestehen zu können, muss man viele Trainingskilometer in den Beinen haben. Bei Ursula Rückschloss ist das kein Problem. Unglaubliche 30.000 km pro Jahr hat die radsportbegeisterte Lady, die erst vor 10 Jahren erstmals aufs Rennrad stieg, in den letzten Jahren zurückgelegt. Eine jährliche Kilometerleistung, die viele Autofahrer nicht erreichen.
Mit Ausnahme von 5-8 Ruhetagen pro Monat legt sie täglich, auch bei schlechtem Wetter 80-120 km mit dem Rennrad zurück, was einen Zeitaufwand von 3-4 Stunden erfordert. Einerseits ermöglicht ihr der Schichtdienst als Hebamme am Klinikum Coburg stundenlange Trainingsfahrten am Vormittag oder Nachmittag, andererseits wird ihre Teilnahme an Rennen durch den häufigen Wochenenddienst eingeschränkt. Bis zum letzten Jahr gehörte Ursula Rückschloss dem Radsportverein "Falke Neustadt" an. Obwohl Radsportler aus den beiden Neustadter Radsportvereinen (der andere Verein ist der SC Neustadt) seit Jahren an den Rennen des RVC Stetten teilnehmen, kam die Verbindung zu Stetten nicht über diese Schiene zustande. Vielmehr stieß die Coburgerin vor etwa fünf Jahren bei einer ihrer Trainingsfahrten auf die Radsportler des RVC Stetten und nahm von nun an gelegentlich an Trainingsfahrten und Rennen der Stettener Radsportgruppe teil. Neben den sportlichen Banden entwickelte sich dabei auch eine zwischenmenschliche Beziehung. Seit etwa drei Jahren lebt Ursula Rückschloss mit Fritz Schedel zusammen, dem Aushängeschild des RVC Stetten, der nicht nur als neunmaliger Vereinsmeister im Radsport von sich Reden machte, sondern im Triathlon u. a. beim legendären Ironman von Hawaii mit hervorragender Zeit ins Ziel kam.
Aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeiten der beiden ist Ursula Rückschloss im Training trotzdem meistens alleine unterwegs. Aber die Routen haben sich geändert. Während sie früher von Coburg aus oft in den Thüringer Raum fuhr, sind jetzt ihre bevorzugten Gebiete der gesamte Jura, der Frankenwald und die Hassberge.
Während sich die meisten Leute im Urlaub an den Strand legen, nutzen Ursula Rückschloss und Fritz Schedel ihren Urlaub, ob an der Adria, in der Toskana oder auf Mallorca nicht zum Dolcefarniente, sondern natürlich zum Radtraining.
Seit 9 Jahren organisiert der internationale Radsportverband UCI Weltmeisterschaften im Straßenradsport und Zeitfahren für insgesamt 14 Altersklassen bei Männer und Frauen von 30 bis über 70 Jahren. Im letzten Jahr nahm Ursula Rückschloss erstmals an der WM im Zeitfahren der Altersklasse Frauen 2 (40-44 Jahre) in St. Johann/Tirol teil. Mit einem normalen Rennrad erreichte sie auf der 20 km langen Strecke gleich einen ausgezeichneten 5. Platz mit einer Zeit von 30:01 Minuten mit nur 1:54 Minuten Rückstand auf die französische Siegerin Claudia Saintagne. Besser vorbereitet auf die speziellen Gegebenheiten eines Zeitfahrens fuhr Ursula Rückschloss in Begleitung von Fritz Schedel diesmal zur Weltmeisterschaft, die am gleichen Ort und auf demselben Kurs wie im letzten Jahr stattfanden. Ein entscheidender Vorteil gegenüber dem Vorjahr war, dass ihr die Firma Cube aus Marktredwitz, die für ihre hervorragenden Rennräder bekannt ist, ein speziell auf das Zeitfahren ausgelegtes Rennrad zur Verfügung stellte. Am Vormittag des 27. August wurden die einzelnen Teilnehmerinnen im Abstand von einer Minute von einer Startrampe, wie man sie auch von der Tour de France her kennt, abgelassen. Auf der 20 km langen Wendepunktstrecke mit Start und Ziel in Erpfendorf unweit von St. Johann fand die im neuen Trikot des RVC Stetten startende Sportlerin bei leichtem Seitenwind schnell zu ihrem Rhythmus und kurbelte die mit einem Berganstieg gespickte 20 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 43 km/h in einer Zeit von 28:06,02 Minuten herunter, mit der sie die Siegerzeit aus dem Vorjahr knapp unterbot. Bald wurde klar, dass Ursula Rückschloss als einzige ernst zu nehmende Konkurrentin nur die Vorjahressiegerin zu fürchten hatte. Deshalb musste die heimische Sportlerin einige bange Minuten überstehen, bis die später gestartete Claudia Saintagne ins Ziel kam. Trotz eines beherzten Rennens, bei dem sich die Französin voll verausgabte, blieb die Stoppuhr für die Titelverteidigerin erst bei 28:07,24 Minuten stehen. Damit war Ursula Rückschloss mit einem Vorsprung von einer guten Sekunde Weltmeisterin ihrer Altersklasse. Eine wirkliche sensationelle Leistung. Sie ist sicher die erste Radsportweltmeisterin am Obermain. Ein unvergessliches Erlebnis war die Siegerehrung am Abend. Auf der höchsten Stufe des Siegerpodestes durfte sich Ursula Rückschloss das regenbogenfarbene Weltmeistertrikot überziehen und erhielt die Goldmedaille von keinem geringeren als dem früheren Weltmeister Francesco Moser, ehe dann die deutsche Nationalhymne erklang.
Auch am WM-Straßenrennen, das drei Tage später auf einem 40 km langen Rundkurs ausgetragen wurde, machte Ursula Rückschloss eine gute Figur. Bei strömenden Regen war sie die aktivste Fahrerin und erreichte die beiden Berganstiege jeweils als erste, wurde aber bei den Abfahrten immer wieder von den Verfolgerinnen eingeholt. Beim Spurt der neunköpfigen Spitzengruppe fehlte ihr dann das nötige Quäntchen Glück. Der sechste Platz mit der gleichen Zeit wie die Siegerin ist aber ebenfalls ein hervorragendes Ergebnis. -thi-
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